Wohl alle kennen die beeindruckende Wirkung einer alten Allee, deren Baumkronen ein zusammengewachsenes, geschlossenes Dach bilden und so einen grünen Tunnel entstehen lassen. Solche Alleen prägen seit fast 300 Jahren die Kulturlandschaft. In Frankreich als schattige Wege in herrschaftlichen Gärten und Parks erfunden, umsäumten sie nach und nach Europas Straßen und Wege, so auch in Sachsen. Alte Baumalleen sind kulturhistorisch wertvoll. Sie zeugen von ehemaligen Verkehrswegen oder sind gestalterische Elemente bei Zufahrten zu Schlössern und Gutshäusern. Landstraßen und Chausseen waren früher meistens Alleen und führten oft als prächtige Einfallstraßen bis in die Zentren der Städte.
Vor der Erfindung des Automobils mussten Menschen und Tiere mit Muskelkraft von A nach B gelangen. Die Alleebäume spendeten dabei Schatten und Frischluft und verarbeiteten CO2, obwohl dies damals noch nicht so wichtig war wie heute. Sie bilden zusammen mit Böden und dem Wasserhaushalt ein komplexes System, das auch das lokale Klima beeinflusst. Sie schützen durch ihren Schattenwurf vor Hitze und Bodenaustrocknung, verhindern mit ihren Wurzeln den Bodenabtrag bei Starkniederschlägen und wirken als Barriere gegen Wind und Erosion. Zudem dienen sie verschiedenen Tierarten, vor allem Vögeln und Insekten, als Lebensraum oder auch Nahrungsquelle, vernetzen Biotope und stärken die biologische Vielfalt.
Alleen prägen das Bild und den Charakter der Landschaft sowie in Städten die Straßenräume positiv. Die Stadtplaner der Gründerzeit nutzten Alleen als Grundprinzip der Straßenraumgestaltung, was hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität für das Wohnumfeld und angenehme Bedingungen für Fußgänger und Radfahrer gewährleistete. Dabei leisten Alleen einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung der Menschen mit ihrer Region bzw. ihrer Stadt. Durch den Klimawandel bekommen sie eine besondere Bedeutung für die Hitzebekämpfung und damit für die Gesundheit der Menschen. Die Vermeidung von Hitzetoten ist in Deutschland eine neue und zunehmend relevante Herausforderung. Gerade ältere oder vorerkrankte Menschen sind besonders gefährdet. Intensiv begrünte Straßenräume und insbesondere Alleen sind eine sehr effektive Gegenmaßnahme, da sie die Umgebungstemperatur deutlich reduzieren und die Luftqualität verbessern.
Dem Nutzen und der Wohlfahrt, die uns die Alleebäume bringen, wird der Umgang mit ihnen in keiner Weise gerecht. Aktuell ist ein weiterhin drastischer Baumverlust zu verzeichnen. So wurden allein in Sachsen von 2018 bis 2022 12.462 Bäume an B-Straßen, 21.068 an S-Straßen und 24.626 an Kreisstraßen entfernt, aber nur 10.739 neu gepflanzt. Ein Nettoverlust von 47.417 Bäumen bzw. rund 12.000 pro Jahr! Auch in Ortsdurchfahrten von Dörfern und Städten wurden und werden Alleen beim Straßenausbau geopfert. Die Gesamtbilanz ist trotz Neupflanzungen negativ. Diverse Ausbauplanungen zeigen keine Trendwende. Statt an den Straßen neue Bäume zu pflanzen, werden anderenorts sogenannte Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen. Mit den fehlenden Bäumen verlieren die Straßen ihren gestalterischen Rahmen und ihre weit sichtbare räumliche Führung, was insbesondere für Landstraßen von Bedeutung ist. Hauptursachen für weniger Alleen sind Empfehlungen und Richtlinien wie ESAB und RPS, die ein straßennahes und damit alleeartiges Pflanzen einschränken und ggf. ausschließen. Das Pflanzen mit erlaubten größeren Abständen scheitert oft daran, dass die dafür erforderlichen Ackerflächen von der Landwirtschaft verständlicherweise nicht abgegeben werden. Davon abgesehen wird das Nachpflanzen in Bestandsalleen, obwohl gemäß Erlass des Bundesverkehrsministeriums erlaubt, nur selten vorgenommen.