Anfang September 2024 erfuhr das AlleenForum leider sehr spät von der geplanten Fällung von 25 hundertjährigen Linden entlang der Ringstraße in der „Gartenstadt Marga“ im brandenburgischen Brieske-Senftenberg. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 155 der ehemals 180 Linden der Ringstraße beseitigt worden. Die Fällungen basierten auf einem Gutachten aus den Jahren 2011/2012 sowie einer „Erhaltungskonzeption Großbäume“ für die Gartenstadt Marga. Dergemäß sollten alle Bäume vollständig gefällt und durch Jungbäume ersetzt werden, um als Ziel eines einheitlichen denkmalpflegerischen Erscheinungsbilds zu bewahren und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Das Gutachten hatte 2011/12 den Zustand fast aller Linden als schlecht eingestuft und deren Fällung empfohlen. Diese – inzwischen baumfachlich überholten Einschätzungen – wurden vor der 2024 beabsichtigten Fällung nicht überprüft bzw. nicht durch ein aktuelles Gutachten ergänzt. Dennoch wurde von der Unteren Naturschutzbehörde eine Fällgenehmigung vorbehaltlich der noch zu erstellenden artenschutzrechtlichen Genehmigung erteilt.
Anfang 2024 formierte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Bäume, die rund 600 Unterschriften sammeln konnte. Das AlleenForum unterstützt nach Inaugenscheinnahme des Baumzustand die Initiative, weil die Bäume vital sind und in ihrem Zustand die denkmalpflegerischen Belange nach einheitlicher Höhe und Vollständigkeit innerhalb der Allee erfüllen. Somit ist der Bestand das Denkmal an sich und erfüllt die planerischen Absichten derer, die die Allee vor 100 Jahren kreierten. Zudem erfüllt der Zustand die Kriterien des Denkmalschutzes (Charta von Florenz), wonach eine Komplettfällung inklusive Neupflanzung erst dann vorgenommen werden sollte, wenn der überwiegende Teil der Bäume abgängig ist. Das ist hier keinesfalls so, vielmehr sind im Prinzip alle Bäume [1] bzw. 96 % gesichert vital und überwiegend bzw. zu 84 % langfristig erhaltenswürdig. Somit ist das einheitliche Bild der Allee für mindestens 20 weitere Jahre gegeben.
Die Vitalität der betreffenden Bäume ist in folgendem Video gut ersichtlich:
Zahlreiche Versuche, mit der Stadtverwaltung bzw. zuständigen Mitarbeitern in Kontakt zu treten, scheiterten oder blieben fruchtlos. Es entstand der Eindruck, die Stadt sei nicht an einer Kommunikation bzw. Kooperation interessiert und will die geplante Fällung unbedingt umsetzen. Dokumente, wie z. B. die „Erhaltungskonzeption für Großbäume“ und angeblich vorhandene relevante Baumgutachten, wurden nicht herausgegeben.
In einem Schreiben vom 16. September 2024 richtete sich das AlleenForum an Bürgermeister Pfeiffer und forderte die Aussetzung der geplanten Baumfällungen an der Ringstraße und schlug als Zwischenlösung ein Moratorium der Fällungen bis Anfang 2025 vor, um die unterschiedlichen Einschätzungen zur Notwendigkeit des Fällens zu prüfen und einen konstruktiven Dialog zur Bewahrung der Allee zu ermöglichen. Dabei wurde der insgesamt vitale Baumzustand und eine längere Lebensdauer von über 20 Jahren assistiert. Zudem wurde auf die hohen Kosten der Fällungen und den Verlust ihrer ökologischen Leistungen hingewiesen.
In einem weiteren Schreiben vom 24. September 2024 konstatierte das AlleenForum , dass falsche Angaben zur Baumvitalität im Beschlusstext vom 27. März 2024 die Zustimmung zu den Fällungen an der Ringstraße beeinflusst haben könnten und forderte eine fachliche Neubewertung der Allee, insbesondere auch unter Berücksichtigung von Klimaanpassung und Kosten sowie erneut eine Aussetzung der Fällungen bis zum 1. Februar 2025. Unterstützung hierfür kamen von Prof. Dr. Peters, dem Alleeexperten der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, dem Landesdenkmalbeirat Brandenburg und der Alleenschutzgemeinschaft. Das Forum appellierte an die Stadt, eine ergebnisoffene Diskussion mit allen Beteiligten zu führen und die Angelegenheit transparent in der Stadtverordnetenversammlung zu behandeln.
Am 25. September 2024 nahmen Mitglieder der Bürgerinitiative an der Stadtverordnetenversammlung teil und brachten ihre Anliegen vor. In einem Schreiben des Allen Forums Sachsen e. V. an den Bürgermeister von Senftenberg vom 29. September 2024 wurde die mangelhafte und fehlerhafte Darstellung der Baumfällthematik während der Stadtverordnetenversammlung kritisiert. Bemängelt wurde die Diskreditierung der Expertise und die Verbreitung unrichtiger Informationen zur Vitalität der Bäume und zur Methodik der Gutachten. Zudem wurde kritisiert, dass wichtige Aspekte gesprächsweise nicht ausreichend geklärt und belastbare Argumente des Forums ignoriert wurden.
Durch das AlleenForum wurde auch die artenschutzrechtliche Vorprüfung des Sachverständigenbüros „Der-Starke-Baum“ als methodisch unzureichend und potenziell interessengeleitet kritisiert, da der Gutachter zugleich für die ausführende Fällfirma tätig ist. Wichtige Untersuchungen wie Endoskopien oder Beobachtungen potenzieller Höhlenbewohner wurden nicht durchgeführt. Die vorgelegten Fotoaufnahmen wiesen keine klaren Versagensanzeichen auf und dienten nicht als belastbare Grundlage für eine Fällentscheidung.
Bemängelt wurde zudem die fehlende Transparenz der Stadt hinsichtlich schriftlicher Unterlagen und die Nutzung veralteter Daten aus der Erhaltungskonzeption von 2016. Erneut gefordert wurde die Aussetzung der Fällgenehmigung und eine unabhängige, aktuelle Begutachtung, um Klarheit über die Standsicherheit, Vitalität und den Artenschutz zu schaffen. Weil nicht erfolgt, wurde ein Baumgutachten beim „Baum Habitat Sachverständigenbüro“ beauftragt. Dieses kam zu deutlich anderen Ergebnissen als das überholte städtische Gutachten. Der Zustand der untersuchten Bäume wurde als insgesamt vital bewertet und als erhaltungsfähig eingestuft. Zudem wurden dabei Hinweise auf artenschutzrechtliche relevante Tierarten wie etwa bestimmte Fledermausarten gefunden. Damit wurde die vorherige Kritik des AlleenForums an der artenschutzrechtliche Vorprüfung des Sachverständigenbüros „Der-Starke-Baum“ als zutreffend untersetzt.
In der Stadtverordnetenversammlung am 16. Oktober 2024 erhielt das durch Abgeordnete beantragte Moratorium der Fällungen einen eigenen Tagesordnungspunkt, wurde jedoch nach intensiver, teils emotionaler Diskussion abgelehnt. Ein Abgeordneter hat daraufhin beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht, die aber abgewiesen wurde.
Dienstaufsichtsbeschwerden des AlleenForums beim Landrat über die Arbeitsweise der Stadt und der unteren Naturschutz- sowie Denkmalbehörde wurden abgewiesen.
Durch die Bürgerinitiative wurde zwischenzeitlich das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz eingeschaltet, welches auf Grund der Sachverhalte und des aktuellen Baumgutachtens die Untere Naturschutzbehörde auf die Rechtswidrigkeit der Fällgenehmigung vom 29.07.2024 hingewiesen hat.
Auf Grundlage des Baumgutachtens des „Baum Habitat Sachverständigenbüro“ hat sich der BUND Brandenburg in Abstimmung mit dem AlleenForum an das Verwaltungsgericht Cottbus gewandt. Dem Antrag wurde am 01.12.2024 stattgegeben, sodass zunächst die Fällgenehmigung des Landkreises ausgesetzt ist. Gegen diese Entscheidung hat die Stadt Senftenberg Beschwerde – bisher ohne Begründung – eingelegt. Daher liegt es nunmehr in den Händen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, ob die intakte Lindenallee als identitätsstiftendes Kulturgut und Denkmal erhalten bleiben und weiterhin ihre Wohlfahrt als natürliche Klimaanlage und effektive Klima- und Hitzeschutzmaßnahme erbringen kann.
[1] Gemäß dem aktuellen Gutachten sind 96 %, also 24 von 25 Bäumen vital. Dabei können 84 % der Bäume langfristig (21 von 25) und 12 % mittelfristig erhalten werden (3 von 25). Bei einem Baum konnte diese Erhaltensfähigkeit noch nicht endgültig beurteilt werden.